Impressum | Kontakt | Jobs
Aufdringliche Selbstdarstellung seit 1996
Homepage
von
Alexander
Auer
Durchschnittliche Bewertung: 6.92 (12 Stimmen)

Mens Sana in Campari Soda

Ich hätte den Orangensaft nicht trinken sollen. Der hat mir eindeutig nicht gut getan. Sonst würde ich jetzt wohl nicht hier über der Klomuschel hängen.
Die Situation hat etwas Merkwürdiges an sich: Auf den Knien vor dem Klobecken, wie ein Pilger der einer heiligen Reliquie huldigt. Und draußen, auf der Party, spielen sie ‚Deeper Underground'. Passt irgendwie.
Die ersten zwei Bier waren o.k. Die haben meine Stimmung ein wenig gelockert. Das ist immer so, wenn die Leute sich noch nicht kennen. Jeder spielt zuerst den Coolen, muß sich in der Gruppenhierarchie positionieren. Dann trinken alle ein wenig Alkohol und die Stimmung entkrampft sich. Man trinkt etwas mehr, und die Party kommt langsam in Schwung. Am Ende landet die Hälfte der Leute im Bett. In einem fremden, wohlgemerkt. Fremd zumindest für die Hälfte von der Hälfte.
Mir steigt der Geruch von Essigreiniger in die Nase. Damit könnte ich mich bei ‚Wetten, dass ...' bewerben. "Wetten, dass ich jeden WC-Reiniger beim Kotzen erkenne!". Jetzt spielen sie ‚Smells like Teen Spirit'.
Irgendjemand hat dann vorgeschlagen, ‚Mäxle' zu spielen. Dabei werden zwei verdeckte Würfel im Kreis weitergegeben und jeder Spieler muß eine höhere Augenzahl als der Vorgänger würfeln. Gelingt dies nicht, muß er lügen. Sollte aber die Lüge entdeckt werden, muß er zwei Stamperl ‚Saurer Apfel' ex trinken. Wird er zu Unrecht der Lüge bezichtigt, bekommt der Gegner die Stamperl.
Ich gewinne fast immer. Die meisten spielen nur, um zu verlieren. Diesmal hatte ich jedoch Glück, ich musste eine halbe Flasche alleine trinken.
Interessiert betrachte ich die Sprünge in der Klomuschel und lausche ‚Get up, Stand up'. Bob Marley in Ehren, aber das wäre momentan keine sehr gute Idee. Versuchshalber stecke ich mir einen Finger in den Mund, doch außer einem trockenen Würgen rührt sich überhaupt nichts. Ich hasse es, wenn ich nicht kotzen kann.
Irgendwann, ich weiß nicht mehr genau wie, bin ich mit einem Mädel auf der Eckcouch gelandet. Ihr Name fing mit einem ‚M' an und klang irgendwie russisch. Ich habe sie ‚Mamutschka' genannt.
Soviel zu meinem Ödipus Komplex.
Ich kann mich nur noch erinnern, dass sie gerne Sekt getrunken hat. Gerne und vor allem viel. Irgendwie geisterten mir ständig Visionen im Kopf herum, die ihre hochhackigen Stiefel und die Sektflasche zum Inhalt hatten.
Aber darauf sollte ich jetzt wohl nicht näher eingehen.
Ich zünde mir eine Zigarette an und nehme einen tiefen Zug, bevor ich das Klobecken mit beiden Händen wieder in meine Richtung drehe. Rauch füllt meine Lungenflügel, verbindet sich mit den Kapillaren, um von dort in mein Blut überzugehen. Langsam sickert er durch die Magenschleimhaut, um dort auf den angestauten Alkohol zu treffen ....
...
...
...
Definitiv Sangria. Das einzige Getränk, das in beide Richtungen gleich schmeckt. Obwohl ich mich gar nicht erinnern kann, sooooo viel davon getrunken zu haben.
Jedenfalls fühle ich mich jetzt ziemlich erleichtert. Um etwa 2 Liter.
Ich betätige die Spülung, versenke dabei das Klo-Spray und öffne die Tür.
Drei Typen mit verkniffenem Gesichtsausdruck und ebensolchen Beinen erwarten mich schon. Einer murmelt etwas von "...20 Minuten ... kann nicht mehr ... mach Platz ..." und stürmt in die Toilette.
Aus der Anlage dröhnt mir ‚Here we go again' von Whitesnake entgegen. Auf der Eckcouch lächelt Mamutschka.
Kein Orangensaft mehr!

Wie gut hat Dir die Geschichte gefallen?:
(Gar nicht) 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 (Sehr gut)
nächste Geschichte
Zurück zur Übersicht