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Aufdringliche Selbstdarstellung seit 1996
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von
Alexander
Auer
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Zigarette danach

"Vielleicht irgendein primitiver Urinstinkt, tief in uns drinnen?"
Sie nahm das kleine Feuerzeug vom Nachttisch und zündete eine Zigarette an. Tief in ihre Lungen saugte sie das Nikotin, um wenige Sekunden später wabernde Rauchringe an die Decke zu schicken.
"Möglich", entgegnete ich, während meine Blicke ihren nackten Körper neben mir abtasteten. "Ich find es trotzdem übertrieben."
"Übertrieben?" Über ihren graublauen Augen hatte sich eine kleine, nachdenkliche Falte gebildet. "Sex ist einfach die wichtigste Sache in unserem Leben."
"Findest Du wirklich? Ich meine, was ist eigentlich so toll daran?"
"Hat es Dir nicht gefallen?"
Sie stützte ihren Kopf auf den Ellenbogen und drehte sich zu mir.
"Doch, natürlich. Es war großartig. Aber wenn man es recht betrachtet, ist es doch eigentlich immer das Gleiche, oder? Der Ablauf. Die Körper. Der Orgasmus. Nach ein paar Mal kennst du das Gefühl. Warum lassen wir unser ganzes Leben davon bestimmen?"
"Aber ..." Die Zigarette glühte kurz auf, als sie daran zog. Kleine Ascheflocken wirbelten ziellos durch die Luft, um irgendwo am Bettzeug niederzugehen. "Aber wir müssen uns doch fortpflanzen. Sonst stirbt die Menschheit irgendwann aus."
"Wir tun doch alles, um uns nicht fortzupflanzen! Wir haben die Pille erfunden, die Spirale, Kondome und und und. Fortpflanzung ist sicher das Letzte, was uns treibt. Mich persönlich hält das eher davon ab. Außerdem: hast Du je eine Sexzeitschrift gesehen, in der etwas von Kinder kriegen stand?"
Ich reichte ihr den Aschenbecher, den mir meine Ex-Freundin zu Weihnachten geschenkt hat. Sie hatte schon immer einen Sinn für originelle Geschenke.
"Also Pornohefte sind schon ein etwas extremes Beispiel, meinst Du nicht?"
Sie streifte die verbrannte Asche so am Rand des Aschenbechers ab, daß sich ihre Zigarette zu einem Glutkegel zuspitzte.
"Ja, mag sein. Aber das ist doch nur die komprimierte Form dessen, was uns täglich umgibt. Kaum ein Film ohne Sexszene. Talkshows in denen jedes noch so kleine intime Detail ausgeschlachtet wird. In der Hitparade gibt es fast nur noch Lieder in denen von Liebe gesungen wird, aber Sex damit gemeint ist. Neue Potenzmittel sind über Monate das wichtigste Gesprächsthema ganzer Nationen. Und über das Intimleben mancher Politiker weiß ich inzwischen besser bescheid, als über das meines besten Freundes. Versteh mich nicht falsch, ich halte mich nicht für prüde, oder so. Aber das wird doch schön langsam irgendwie krank, oder?"
Sie blies einen Strom Rauch durch ihre Nase.
"Was stört Dich so daran?"
"Das wir uns nur noch über Sex definieren. Hast Du jemand zum Vögeln, dann bist Du wer. Hast Du niemand, dann stimmt was nicht. In jeder Disco hängt nur mehr ein Wort fast spürbar in der Luft: SEX. Jeder fragt sich `Krieg ich jemand? Werde ich angebaggert?` Möglichst noch so, daß es alle anderen sehen können. Angebaggert werden heißt nämlich: Ich bin besser. Ich bin begehrenswerter. Als IHR."
"Aber Du hast mich doch auch angebaggert."
"Hm, ja, das stimmt."
"Und warum?"
"Weiß nicht. Vielleicht irgendein primitiver Urinstinkt, tief in uns drinnen?"

Sie drückte lächelnd die Zigarette im Aschenbecher aus.
"Wie heißt Du eigentlich?"

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