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Aufdringliche Selbstdarstellung seit 1996
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von
Alexander
Auer
Durchschnittliche Bewertung: 2.75 (12 Stimmen)

Same Procedure as every year

Zuerst war alles ganz normal. Ein langweiliger Nachmittag, der Fernseher lief und die Zeitung war vor mir ausgebreitet. Ich schlürfte den Kaffee, in den ich wieder einmal zu viel Zucker getan hatte. Unser Mustersportler hatte wieder einmal ein Turnier gewonnen und in der Glotze dudelte eine Werbemelodie. Alles ganz normal also. Doch dann hörte ich die Anfangsmelodie von Raumschiff Enterprise. Ich legte die Zeitung beiseite, schenkte mir noch etwas Kaffee nach und wandte mich der Mattscheibe zu. Ein Ritual das ich mittlerweile seit fast einem Jahr beinahe täglich pflegte. Jean Luc erscheint, neben ihm Worf und Riker. Ich war unter Freunden. Die Handlung schleppte sich vorwärts, der Kaffee tat seine Wirkung und schön langsam wachte ich auf. Plötzlich wurde die Enterprise zerstört und wir befanden uns wieder in der Anfangsszene. Häh? Und tatsächlich, alles spielte sich noch mal ab. Die Enterprise wurde ein zweites Mal zerstört und wir wieder an den Anfang zurück gebeamt. Nach quälenden 50 Minuten inklusive Werbung endlich die Auflösung: Die Crew war in einer Zeitschleife gefangen in der sich alles bis in die Unendlichkeit wiederholt. Dank Data haben sie es doch geschafft auszubrechen, was für den Fortbestand der Serie existentiell scheint. Wäre wohl ziemlich langweilig, ab jetzt in allen kommenden Folgen immer die selbe 10 Minuten Episode zu sehen. Ich gähnte geräuschvoll und drehte den Fernseher ab. Die Geschichte ging mir aber nicht aus dem Kopf. Wenn nun ein Teil dieses Universums sich immer wiederholt, wie sieht es dann außerhalb dieses Teils aus? Geht das Leben weiter wie immer, oder findet auch dort die gleiche Wiederholung statt? Wenn nun die Schleife nur für einen bestimmten Teil gilt, müßte es doch auch mehrere Teilzeiten geben. Eigentlich für jeden einzelnen Organismus eine eigene. Nun ist aber jeder komplexere Organismus aus vielen lebenden Einzelteilen aufgebaut. Was wäre nun, wenn nur ein Teil von mir in einer Zeitschleife gefangen wird? Wenn zum Beispiel meine Leber sich dazu entschließt, oder nur die Hälfte meiner Leber? Würde ich dann forthin nur mit einer halben Leber zu leben haben? Es wäre wohl unwahrscheinlich, daß es meine Leber schafft, noch dazu wenn sie nur halb ist, aus der Schleife auszubrechen (Sie hat ja keinen Data an Bord). Und wenn sie es wieder Erwarten doch schaffen sollte, wie will sie mich dann in der Zeit einholen, wenn ich schon weg bin? Und im anderen Fall, wenn sich der Lauf der Zeit nicht fortbewegt, also alles sich für Alle ständig wiederholt, wie sollte das je einer merken? Und da durchfuhr es mich. Das war’s !!! Ich hatte es gefunden, was schon die ganze Zeit an mir genagt hatte. Ich war in einer Zeitschleife gefangen ! Darum sah ein Tag aus wie der andere. Der Schnee war immer weiß, das Auto grün, die Ampel rot und die Tage grau. Der einzige Unterschied war nur der, daß ich trotzdem alterte. Zumindest bildete ich mir das ein, aber wer weiß. Vielleicht war ich schon seit Millionen Jahren 21. Das komische schien nur, daß alle anderen nicht von dieser Entwicklung betroffen zu sein schienen. Bei denen veränderte sich ständig irgend etwas, da ging es aufwärts (oder abwärts, aber immerhin), da glichen sich die Tage nicht wie ein Ei dem anderen. Es mußte also die erste Möglichkeit stimmen, daß es partielle Zeitschleifen gab. Ich begab mich zu meinem Therapeuten und erzählte ihm alles. Er nickte sehr verständnisvoll, als ob ich das schon tausendmal zu ihm gesagt hätte (was mich in meiner Überzeugung nur bestärkte) und veranlaßte alles weitere. Das war vor einem halben Jahr. Mittlerweile sagen sie, ich befände mich auf dem Wege der Besserung, aber mehr als Knight Rider könnten sie mir noch nicht zutrauen. Als sie mir einmal McGiver vorspielten, hatte ich einen regelrechten Rückfall. Ich schrie fortwährend "Seinen Vornamen. Er hat keinen Vornamen!", und drei Pfleger mußten mich festhalten. Eine Woche lang durfte ich nur Baywatch sehen, dann ging es wieder. In einem unbewachten Augenblick gelang es mir, mit meinem Wissen um das wahre Wesen der Zeit, die erweiterte Relativitätstheorie zu erweitern. Als ich es dem Doktor erklärte verstand er natürlich nicht den Zusammenhang zwischen Masse, Zeit und Psychotherapie. Was für ein dummer Mensch ! Er sollte mehr fernsehen.

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