Grausam

Du bist blaß geworden. Früher hast Du viel lebendiger geleuchtet. Hast Dich so tief in mein Gehirn gebrannt, daß ich auch nachts Dein Bild vor Augen hatte. Wenn ich heute versuche, mich an Dich zu erinnern, kann ich nur noch vage Schatten erkennen.
Grau, als würden Nebelschleier des Vergessens über Dich hinweg ziehen.
Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen. Du gehst mir aus dem Weg, stimmt's? Oft gesehen haben wir uns wohl nie, aber so wie jetzt, ist es lächerlich. Vielleicht war es ja ein Fehler, Dich anzusprechen, aber ich bereue es nicht. Ich hätte Deine leuchtenden Farben nicht länger ausgehalten.
Das Grau steht Dir.
Ich glaube nicht, daß Du noch ein Problem für mich bist. Vielleicht bin ich eines für Dich, wer weiß? Auch wenn es gemein klingt, aber es würde mich freuen. Nie hast Du mir auch nur einen Blick in Deine Seele oder Dein Herz gewährt. Nicht einmal auf Deine Telefonnummer.
Nein, böse war ich nicht. Nur sehr enttäuscht. Heute bin ich manchmal schadenfroh, wenn ich etwas von Dir höre. Ein bißchen zumindest.
Im Endeffekt war es wohl gut so, wie es gelaufen ist. So wie alles irgendwie gut war, was in meinem Leben passiert ist. Weil es mich zu dem gemacht hat, der ich heute bin. Eigentlich sollte ich Dir dankbar sein. Aber so weit wollen wir auch nicht gehen.
Wegen Dir hätte ich fast einen großen Fehler gemacht. Vielleicht hätte ich ihn machen sollen?
Dein Grau ist sehr hartnäckig, es weigert sich standhaft, mit dem Dunkel der Vergangenheit zu verschmelzen.
Du weißt gar nicht, wie viele Abende Du mich verfolgt hast. In Gedanken, in Träumen, Gesprächen und Phantasien.
Was gäbe ich, um fünf Minuten in Dein Herz sehen zu dürfen. Aber Halt! Solche Wünsche können gefährlich sein. Denn manchmal gehen sie in Erfüllung. Und dann könntest Du wieder Farbe bekommen, allzu lebendig werden.
Das will ich nicht.
Grau ist die Farbe, die zu Dir paßt!